Selbst schuld, Alter Sack

Von Peter Bellstedt

Karl saß wie jeden Morgen an seinem Kiosk auf seinem „Stammplatz“, einem Art Holzschemel, aber mit Lehne und schlürfte seinen Kaffee aus einem Pappbecher. Der Schemel stand links am Kiosk, so konnte er die ganze Straße übersehen.

Nun war er auch schon seit ein paar Monaten Rentner und musste sich endlich nicht mehr von dem gottverdammten Jobcenter rumkommandieren lassen. Das war ein gewaltiger Gewinn, also ein Leben als Pensionär nach den letzten Jahren ohne Arbeit, wenn auch die Erbsenzählerei nicht aufhören würde. Bei der „üppigen“ Rente. Aber er musste sich nicht mehr bevormunden, wie ein kleines Kind, wie ein eventueller Sozialbetrüger behandeln, lassen. Die Jahre ohne Arbeit machen sich bei der Höhe seiner Rente bemerkbar, die höher hätte ausfallen können.

Dabei hatte er in der kleinen Firma, in der er seit der Lehre gewesen war, einen lukrativen Job, war anerkannt und quasi der „zweite Chef“, auf ihn konnte sich der Firmeninhaber hundertprozentig verlassen. Doch der Inhaber wollte mit 67 Jahren seinen Lebensabend in Spanien verbringen. Er verkaufte seine anerkannte Firma an einen Konzern, der schon lange ein Auge auf sie geworfen hatte. Karl sollte laut seinem alten Chef eine Jobgarantie bekommen, aber das war eine Ente, die neuen Chefs umgaben sich mit ihren eigenen Vertrauenspersonen und über kurz oder lang war er raus gemobbt und danach ohne Arbeit. In seinem Alter, nur ein paar Jahre bis zur Rente, kann man vielleicht noch amerikanischer Präsident werden, jedoch keine vernünftige Tätigkeit mehr in Deutschland finden.

So genehmigte er sich fast jeden Morgen bei dem Kiosk, der schon zur Institution in der Stadt geworden war und trotzdem dem Bau eines Supermarktes weichen sollte, trotz aller Proteste der Anwohner, einen Pappbecher heißen Kaffee.

An diesem Morgen kamen vier junge Schnösel die Straße zum Kiosk hoch und man merkte ihnen an, dass sie noch oder schon wieder sichtlich betrunken waren. Einer blökte: „Ich hab schon wieder Durscht, ich brauche Bölkstoff!“. Da seid ihr noch zu früh, betonte der Kioskbetreiber, erst ab Nachmittag. „ Scheißladen “, war die einstimmige Antwort aller vier und verlangten statt Bier Cola.

Dann wandten sie sich Karl zu, der das Verhalten dieser Typen mit Unbehagen beobachtet hatte. „Na Alter, so früh schon auf den Socken“, lallte einer, „du solltest dich zu Hause lieber um die Hühner kümmern“. Alle stimmten in ein riesiges Gejohle ein. Karl wollte sich nicht provozieren lassen, doch ein anderer griff nach seinem kleinen Rucksack, den er immer dabei hatte und versuchte darin rumzuwühlen. Aber Karl war noch flink genug und entriss dieser Pfeife seinen Rucksack.

„Oho du alter Wichser, du lebst ja noch, dachte, du bist ne wandelnde Mumie“. In Karl kochte es und er entschied sich eher als sonst zu gehen. „Respektloses Gesindel“, entfuhr es ihm. Der dritte im Bunde schnippte ihm von hinten die Kappe vom Kopf und lallte von „was sind das für freche Töne“, dann nahm er  seinen halbleeren Kaffeebecher weg und drehte die Zügel. Karls Hand traf schnell reflexartig das Gesicht dieser Rotznase,  er der sonst keiner Fliege was zuleide tun konnte, doch kurz darauf kippte dieser Schnösel Karl den Becherinhalt ins Gesicht.

„Selbst schuld, du alter Sack“

Karl war auf Hundertachtzig und in seiner Wut hielt er plötzlich den schweren Aschenbecher aus Glas, der auf dem runden Tischchen stand, in der Hand und schlug dieser Rotznase damit gegen den Kopf und traf die linke Schläfe, woraufhin der sofort wie ein nasser Sack auf den Boden fiel. Blut floss in dicken Rinnsalen auf den dreckigen Gehsteig.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Karl realisierte, was passiert war, dann rief er dem Kioskbesitzer, der völlig schockiert war, zu, er soll endlich die 110 anrufen.

P:S: Diese Geschichte ist frei erfunden.  Ähnlichkeiten mit noch lebenden Personen sind daher absolut zufällig.